In der aktuellen METAL HAMMER-Ausgabe (seit dem 15.12.2010 ab Kiosk) haben sie sich ausgiebig mit Behemoth-Chef Nergal über seinen Gesundheitszustand, die Reaktionen auf seine Leukämie-Erkrankung und die Zukunft der Band unterhalten. Was nicht in der Geschichte stand, lest ihr hier:
Eine Band ist immer auch in die Maschinerie des Musikbusiness eingebunden. Kannst du mit dem Tempo Schritt halten?
Die Leute, die eng mit uns zusammenarbeiten, wissen und verstehen das. Darüber bin ich froh. So kann ich mich mit Feuereifer an die Sachen machen, die ich bewältigen kann – und andere Dinge ohne schlechtes Gewissen sein lassen. Und natürlich ist es toll, dass ich mich nach wie vor einbringen kann. Gerade in Bezug auf das DVD-Projekt. Ich bin wirklich extrem stolz auf das Ergebnis, denn wir haben viel Herzblut reingesteckt, angefangen von der Planung der Aufnahmen bis hin zur Grafik. Es hat ja auch lange genug gedauert – schließlich reden wir schon seit Jahren über die Sache. Dafür bekommen die Leute aber auch einiges geboten, nämlich drei DVDs mit jeder Menge Live-Material und zusätzlich noch Einblick in das Innenleben von Behemoth. Und da wir in nächster Zeit nicht auftreten können, haben die Fans dadurch wenigstens die Chance, uns in Aktion zu sehen – auch wenn das natürlich kein Ersatz für eine echte Live-Erfahrung ist.
Wie gehen deine Band-Kollegen mit der neuen Situation um?
Sie unterstützen mich in allen Belangen. Das ist wirklich eine große Erleichterung für mich, denn natürlich mache ich mir auch darüber Gedanken, was aus ihnen wird. Schließlich sind sie dazu verdammt, ebenfalls eine Pause zu machen bzw. sich auf Nebenprojekte zu konzentrieren. Aber niemand drängt mich, alle sage, dass meine Genesung jetzt das Wichtigste sei. Und ich spüre durch ihre Loyalität, dass Behemoth ein essentieller Teil ihres Leben ist. Das ist großartig. Und wir versuchen auch, die Band nicht ganz auf Eis legen, sondern möchten die Zeit nutzen, um am Finetuning zu arbeiten, z.B. an neuen Designs o.ä. Ich denke, dass es uns vielleicht auch gelingen könnte, ab dem Frühjahr mit dem Songwriting für die nächste Platte zu beginnen. Wir nutzen die Phase ohne Touren also einfach für andere Dinge.
Welche Unterstützung bekommst du aus deinem direkten privaten Umfeld?
Meine Eltern besuchen mich jeden Tag, bringen mir Essen oder Zeitschriften mit. Sie sind wirklich super, ebenso wie meine Freundin, mit der ich mehrmals pro Tag telefoniere. Und die anderen Behemoth-Mitglieder halten auch in engem Kontakt mit mir, rufen mich alle zwei Tage an, und wir besprechen dann die neuesten Fortschritte in Sachen Genesung oder reden über die Band, unsere Zukunftspläne usw.
Du hast in den vergangenen Wochen und Monate auch viel Zuspruch von deiner Anhängern bekommen – was empfindest du, wenn du die Briefe und Mails liest?
Nun, ich möchte mich auf diesem Weg bei allen Leuten bedanken, die mich in dieser schweren Zeit unterstützt haben. Es gab auch viel Unterstützung, z.B. in Form von Konzerten, bei denen die Fans sich in die Datei für Knochenmarkspender aufnehmen lassen haben. Dank dieser Aktion konnten mehrere Tausend neuer potenzieller Spender gefunden werden. Dadurch wird es vielleicht möglich sein, Hunderte von Leben zu retten!
Wie viele Leute haben sich in die Knochenmarkspender-Datei eintragen lassen?
Ich habe keine genauen Zahlen, aber mir wurde gesagt, dass sich innerhalb der letzten drei Monate 50.000 Menschen in Polen erstmals registrieren lassen haben. Damit sind nun 100.000 Leute in der Datei gespeichert. Das ist wirklich unglaublich, vor allem wenn man bedenkt, dass es die Organisation hierzulande schon seit über zehn Jahren gibt.
Gab es weitere Unterstützung für dich in Form von Geldspenden oder ähnlichem?
Ich selbst habe mich nicht um Spenden bemüht und auch kein Geld erhalten, aber etliche Fans haben gemeinnützige Organisationen, die sich für den Kampf gegen Leukämie einsetzen, finanziell unterstützt. Das ist wunderbar! Und auch die vielen, vielen Zuschriften auf Myspace und die zahlreichen Bestellungen in unserem Webshop haben mich sehr gefreut. Danke! Das bedeutet mir sehr viel. Und ich hoffe, dass ich schnell zurückkehren kann, um den Menschen wieder etwas zurückgeben zu können.
Hast du auch schon negative Reaktionen auf deine Krankheit erfahren?
Vor der letzten Chemo-Sitzung wollte z.B. ich meine Freundin mit dem Auto vom Flughafen abholen. Wir wurden von zwei Paparazzi belästigt, die Fotos von uns geschossen haben. Das stört mich normalerweise nicht, ich ignoriere das einfach. Aber die Aktion ging mir tierisch auf die Nerven. Also bin ich aus dem Auto gesprungen und wollte ihnen hinterherlaufen. Das hat allerdings überhaupt nicht funktioniert, ich bin voll auf die Schnauze geflogen, vor allem Leuten. Das war vielleicht peinlich. Aber ich verspreche diesen Typen eines: Meine Rache wird kommen!
Deinen Kampfgeist hast du jedenfalls nicht verloren, wie es scheint...
Oh nein, auf keinem Fall!
Würdest du sagen, dass du dich in den letzten Wochen verändert hast?
Nun, ich denke schon. Diese Krankheit wird mich mein ganzes Leben lang begleiten, sie ist nicht nur eine kurze Episode, die ich irgendwann wieder vergessen kann. Inwiefern mich die Erfahrungen der jüngsten Zeit geprägt haben und noch prägen werden, weiß ich im Moment noch nicht. Es ist noch zu früh, das zu beurteilen. Ich habe viel nachgedacht, bin ich noch nicht so weit, tiefgreifende Erkenntnisse daraus zu ziehen. Dazu muss noch ein wenig mehr Zeit vergehen, in einigen Monaten sieht das vielleicht schon anders aus. Denn das Ganze wird definitiv Auswirkungen haben auf die Art und Weise, wie ich mein Leben in Zukunft gestalte. Ich war zwar schon immer jemand, der spezielle Momente festhalten und besonders intensiv genießen konnte, aber ich vermute, dass sich das noch verstärken wird, wenn ich wieder gesund bin.
Spätestens wenn die nächste Behemoth-Platte auf den Markt kommt, werdet ihr zu einer der größten, wenn nicht der größten Extrem-Metal-Band aufsteigen. Ist dir das bewusst?
Nun, die Frage ist nicht so einfach zu beantworten. Denn natürlich wollte ich nicht krank werden, sondern wäre viel lieber der gesunde, agile Nergal, der ich vor wenigen Monaten noch war. Aber ich weiß auch, dass mein Kampf gegen die Leukämie, die Tatsache, dass ich nicht aufgebe und mich in mein Schicksal ergebe oder gar zum Christentum konvertiere, einigen Leuten Respekt einflößt. Jedoch steckt kein Kalkül dahinter, es ist einfach meine Art, mit der Sache umzugehen.